“Das ist keine Visitenkarte für Berlin”

Berlins oberster Tourismus-Werber testet den Flughafen Schönefeld – und gibt schlechte Noten


Ganz schön kalt und windig! Berlins Tourismus-Chef Hanns Peter Nerger auf dem Weg vom Flughafen-Terminal zum Schönefelder Bahnhof.

Zu wenig Informationen für die Touristen, weite Wege durch die Kälte und ein unfreundlicher Bahnhof: Berlins Boom-Flughafen Schönefeld ist "nicht hauptstadtwürdig". Zu diesem wenig schmeichelhaften Urteil kommt Hanns Peter Nerger, Chef der Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM). "Dabei treffen dort sehr viele internationale Gäste ein. Für sie ist Schönefeld nicht nur das Tor zu Berlin – auf diesem Flughafen bekommen sie auch einen ersten Eindruck von Deutschland." Und der fällt trotz mancher guter Ansätze nicht positiv aus, sagte der obersten Touristenwerber Berlins.

Nur noch zehn Tage, dann beginnt auf dem Messegelände die Internationale Tourismus-Börse. Auf der größten Reisemesse der Welt wird sich Berlin wieder als eines der attraktivsten Ziele für den Städtetourismus präsentieren. Immer mehr Gäste landen in Schönefeld – im vergangenen Jahr wurden dort 6,06 Millionen Fluggäste gezählt, 19,4 Prozent mehr als 2005. Doch welcher Eindruck erwartet sie? Dieser Frage wollte Nerger nachgehen – und schaute sich den Flughafen genauer an.

"Airport Service" steht über dem Stehtisch, den die ankommenden Reisenden im Terminal A passieren. "Bekomme ich hier einen Stadtplan?" fragt Nerger. Die freundliche Frau bedauert und zeigt zum Zeitungsladen: "Nein, nur dort, gegen Geld." Nicht mal eine grobe Übersicht ist zu haben. Zwar gibt es Liniennetze für den Bahnverkehr, aber damit lässt sich ohne zusätzliche Hilfe wenig anfangen. Denn die Anzeigetafel, die Nerger in der Halle entdeckt, listet nur die Abfahrten der BVG-Busse auf – und die haben Ziele, die für fast alle Touristen uninteressant sind, etwa "Adlershof" oder "Hermannplatz". So entschließt sich der BTM-Geschäftsführer, den Pfeilen in den Bahnhof zu folgen. Der Weg dorthin hat zwar ein Dach – aber bevor es beginnt, müssen die Gäste ungeschützt durch Wind und Wetter. Der Shuttle-Bus, der zwischen dem Terminal A und dem Flughafenbahnhof pendelte, ist im Herbst eingestellt worden. "Wenn es regnet, wird man nun erst mal nass", sagt Nerger und zieht den Mantelkragen höher.

Dass es nebenan in einer ausrangierten S-Bahn "Berlins abgefahrenste Curry-Wurst" gibt, tröstet wenig. In dem nach einer Seite offenen Gang zum Bahnhof pfeift der Wind. Was Nerger und die Touristen umso stärker merken, wenn sie vor den Bildschirmen Halt machen, um sich dort über die nächsten Zugabfahrten zu informieren.

Erst sind Werbespots zu absolvieren – das dauert. Dann folgt das Rätselraten: Wann und wo fährt der nächste Airport-Express in die Stadt? Nerger wundert sich: "Auf den Bildschirmen ist von Nauen oder Dessau die Rede" – von den Endstationen dieser Züge. Aber wer will schon dorthin? Das Ziel "Berlin", das die meisten Passagiere ansteuern, kommt schlicht und einfach nicht vor. So ist es auch im Bahnhof: Am Aufgang zum Bahnsteig, von wo aus der Regionalexpress in weniger als einer halben Stunde ins Zentrum fährt, steht nur "Belzig". An den Treppen zur S-Bahn heißt es "Spandau" und "Hermannstraße" – Zielangaben, die Touristen ebenfalls nichts sagen. Nerger: "Und kein Mitarbeiter ist hier, der helfen könnte."

Am Fahrkartenautomaten wartet die nächste Herausforderung. Auch dort taucht das Wort "Berlin" nicht auf. "Welcher ausländische Gast weiß schon, dass er auf dem Bildschirm das Feld ,Verkehrsverbund’ antippen muss, um ein Ticket nach Berlin zu bekommen?" ärgert sich Nerger. "Hier müssen sich die Bahn, die BTM und die Flughafen-Gesellschaft an einen Tisch setzen, um im Interesse unserer Gäste Verbesserungen zu erreichen. Wir dürfen uns nicht darauf ausruhen, dass Ende 2011 der neue Flughafen BBI öffnet. Schönefeld muss schon vorher touristenfreundlicher werden."

Und dann ist da noch der Frittiergeruch, der aus den Imbissbuden im Bahnhof dringt. Das Fazit des Fremdenverkehrschefs fällt unmissverständlich aus: "Das ist keine Visitenkarte für Berlin."

Berliner Zeitung, 26.02.2007

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